Mit viel Rückenwind startete das junge Teilsegment Coliving in das Jahr 2020. Firmen wie Quarters planten mit ehrgeizigen Finanzierungsaktionen, ihre Marke weltweit zu expandieren. Doch dann kam die Pandemie und alles ganz anders. So musste der aufstrebende Coliving Betreiber aufgrund der „Corona-Quartale“ seine expansiven Pläne vorerst zurückstellen. Die Geschäfte des US-Zweigs des vormals als Medici Living Group bekannten Unternehmens sind seit Januar 2021 eingestellt. Die Gründe dafür, und welche Konsequenzen der Markt zu erwarten hat, lesen Sie hier:
Experten in diesem Beitrag:
Im Frühjahr 2019 sammelte der Coliving-Betreiber Quarters 300 Millionen US-Dollar für einen Vorstoß in den amerikanischen Markt. Das Unternehmen schickte sich damit an, sich künftig als größter globaler Betreiber des Shared-Living Marktes etablieren zu können. Doch nun fanden die Expansionspläne ein abruptes Ende. Denn der US-Zweig der Firma musste am 19. Januar Insolvenz in den Vereinigten Staaten anmelden.
Unsichere Wirtschaftsbedingungen und besonders das Ausbleiben der nationalen und internationalen Geschäftsreisen sowie der Wegfall internationaler Studierender haben Betreibern zuletzt viel Kraft abverlangt. Dass das Co-Living-Modell trotz kurzfristiger Einbußen durch die „Corona-Quartale“ Q2 und Q3 2020 insgesamt so stabil geblieben ist, zeigt, dass viele der Marktteilnehmer gut gewirtschaftet haben. Die beständigen Zahlen für den Bereich Wohnen und Living-nahe Nutzungskonzepte belegen, dass die Entwicklungs- und Investitionslust bislang ungebrochen ist. Bis Dezember 2021 erwarten Experten deshalb eine Rückkehr zum Marktniveau aus 2019.
Coliving Experten erkennen drei Gründe für das überraschende Aus
Anders sieht es natürlich für Quarters aus. Aufgrund der eingereichten Unterlagen schätzen Experten deren Verbindlichkeiten auf zwischen einer und fünf Millionen US-Dollar – bei Vermögenswerten rund um die 500.000. Der Co-Living-Experte und Autor Gui Perdrix hat das US-Aus für den Betreiber in einem Thesenpapier prognostiziert. Und kennt auch die Gründe für die überraschende Insolvenz. Der erste: Ein unvorteilhaftes Master-Lease-Modell, dass das Unternehmen dazu zwingt, jeden Monat hohe Mietforderungen freizugeben.
„Den größten Teil ihrer Mittel steckte Quarters in das eigene Wachstum, anstatt finanziell stabil zu werden (2). Das führte dazu, dass sie in der Corona-Krise selbst geringe Belegungsrückgänge nicht auffangen konnten (3)“, erklärt Perdrix, schließt daraus aber keinen langfristigen Rückgang der Transaktionsvolumina. Die Investoren seien zwar aufgrund der derzeitigen Lage schreckhafter als sonst, doch die Quarters-Pleite habe eher zu einem momentartigen Rückzugsreflex geführt, als zu dauerhaften Folgen.
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Dennoch ist Vorsicht geboten. Zuvor hatte Perdrix bereits die Expansionspläne vieler großer Coliving Betreiber als möglichen Grund für die bestehende finanzielle Instabilität identifiziert. So warnte er vor ökonomischen Sackgassen in Folge der Pandemie. Und nannte dabei ebenjene Gründe als ausschlaggebend, die letztendlich Quarters zum Verhängnis wurden. Es ist für den Markt essentiell, dass Anbieter auf ein robustes Fundament setzen, statt ihre Geschäfte zu aggressiv auszuweiten.
Trendumkehr – Coliving trotz Unruhe weiter im Hype
Seine Thesen hat Perdrix in einem Paper zusammengefasst. Als Quelle dafür dienten Pedrix über 400 Einzelgespräche mit Betreibern und Coliving Experten in den letzten zwei Jahren. Die wichtigste Erkenntnis zuerst: Der Sektor wird weiter wachsen – auch, wenn Corona uns noch länger begleiten sollte. Oder eben gerade deshalb. So scheint es im Moment, als würde sich der anfängliche Trend umkehren und die Pandemie sogar noch mehr Leute für Coliving begeistern.
Benjamin Oeckl, Geschäftsführer von BelForm und Experte im Bereich der Neuen Wohnformen, sieht hier große Potentiale: „Es ist nur verständlich, dass der Megatrend der Vereinsamung durch Corona deutlich stärker wurde und mittlerweile alle Altersklassen belastet, zunehmend auch die Jüngeren. Besonders die sog. Young und Urban Professionals, als auch die Digitalen Nomaden oder sogar Studenten wünschen sich mehr Gemeinschaft, Anschluss und Austausch unter Gleichgesinnten. Denn die Digitalisierung führt zwar Menschen schneller „digital“ zusammen, doch physische Begegnungsstätten bleiben ein wichtiger Gegentrend und somit ein immer essentielleres Bedürfnis für das Wohlbefinden der Bewohner.“
Dies in Immobilienkonzepten umzusetzen, ist eine der Herausforderungen der kommende Jahre, da solche Community-Angebote bei Investoren noch als zu „bewirtschaftungsintensiv“ wahrgenommen werden. Deshalb wird Coliving im Verhältnis zu reinen Mikro-Apartments noch als weniger attraktiv bzw. renditestark empfunden und ist deshalb am Investmentmarkt Vergleich zu anderen temporären Wohnformen im Nachteil.
„Doch genau solche Konzepte wird es in Zukunft verstärkt brauchen, um Bewohner in Zeiten des höheren Wettbewerbs in A- und B Städten an eine möblierte Immobilie zu binden. Dieses essentielle Bedürfnis seitens der Bewohner zu befriedigen kann wiederum langfristig Mieterträge sichern, besonders im Zuge der Ausweitung des Angebots von reinen Mikro-Apartment Anlagen in urbanen Ballungsräumen“, führt Benjamin Oeckl aus.
Zahlen des Coliving Insight Magazine
Coliving als eigene Asset-Klasse? Wesentliche Verschiebungen am Markt in den nächsten Jahren erwartet
Die Nachfrage der unterschiedlchen Zielgruppen wird zu weiterem Interesse bei Investoren und Projektentwicklern führen. Sobald ein stärkerer Angebotsdruck am Markt zu erkennen ist, wird dieser Trend noch einmal beschleunigt. Es gibt bereits heute Projektentwickler, die den Coliving Trend für sich nutzen, auch international. So setzt BelForm aktuell ein neues Coliving Produkt in Luxemburg Stadt auf über 1000 Quadratmetern für Young Professionals und internationale Fachkräfte um. Bei weitere Coliving- und Flächenkonzepte unterstützt BelForm aktuell führende Anbieter aus den Bereichen der Wohnungswirtschaft oder der Serviced Apartments.
„Projektentwickler, die sich jetzt auf die veränderten Umstände einstellen, werden es in Zukunft leichter haben“, erklärt Benjamin Oeckl. „Bis 2030 wird der starke Umbruch in der Hotelliere zu einer Ausweitung der Angebotsvielfalt in den neuen Segmenten führen.“
Als Experte für Neue Wohnformen und Immobiliendigitalisierung steht Ihnen BelForm in allen Phasen des Projekts zur Seite und begleitet Sie von der Konzeption bis zur Umsetzung. Nehmen Sie Kontakt zu uns auf!
Da das Teilsegment Coliving im Bereich des Temporären Wohnens sich immer mehr als eigene Asset-Klasse etabliert, glättet sich nicht nur der regulatorische Rahmen. Auch die Investitionsvolumina steigen, siehe beispielsweise das Investment der Deutschen Bank in The Collective, einen der am stärksten expandierenden Betreiber in der Branche. „Wir befinden uns in einer Phase der Professionalisierung und Strukturierung der Branche, die zu mehr operativer Exzellenz und finanzieller Stabilität der Coliving Player führt“, erklärt Perdrix seine Erkenntnisse.
„Immer noch unterversorgt“ – Out-of-the-Box-Zielgruppen von Coliving
Nach wie vor bietet sich im Coliving also das große Expansionspotential eines aufstrebenden Zweiges. Wie der Autor beschreibt, sind viele gesellschaftliche Gruppen bei dem derzeit bestehenden Angebot immer noch unterversorgt. Dazu gehören seiner Auffassung nach Babyboomer, Alleinerziehende mit Kind und Niedrigverdiener. Ebenso sind Shared-Living Konzepte in der Lage, als Startup-Beschleunigerprogramme zu wirken. Beispiele wie Nest Copenhagen, Je M’apelle, Roam oder Sun and Co. zeigen bereits seit Jahren, wie „New Work“-basierte Wohnmodelle erfolgreich sein können.
Während also der US-Zweig von Quarters momentan in der Zahlungsunfähigkeit sitzt, ist die Muttergesellschaft in Europa weiterhin in der Expansion. Daher sind die Ereignisse in den Vereinigten Staaten eher als „Start-Up“-Entwicklungsschritt einer noch jungen Firma zu sehen. Die Attraktivität von Coliving im Kern des Wohnmodells ist nicht angegriffen. Glücklicherweise hat der Lernprozess auch hier längst eingesetzt und geht in die nächste Phase der Entwicklungen der Verfeinerung der Coliving-Produkte und Dienstleistungen. Ein langfristiges Fundament in dieser jungen Asset-Klasse ist entscheidend, um neue Investoren und nachhaltige Investments anzuziehen und somit das Coliving Konzept als festen Bestandteil eines Immobilienportfolios im Bereich der Temporären Wohnformen zu etablieren.
Über BelForm:
BelForm ist der führende Experte in den Bereichen Mikro-Apartments, Coliving, Serviced Apartments und temporäres Wohnen. Als erster 360-Grad-Dienstleister in diesem Segment führen wir Projektentwickler, Betreiber und Investoren von Anfang an über Beratung, Innenarchitektur, Kompletteinrichtung und Digitalisierung zum erfolgreichen Projekt. Ziel von BelForm ist es, marktfähige Apartmentkonzepte mit echtem Wow-Effekt zu realisieren und somit die Weichen für eine nachhaltig erfolgreiche Bewirtschaftung zu stellen. Einige von BelForm begleitete Projekte sind das bekannte #behomie Living der Interboden Gruppe, Wohnen am Gleispark von Bauwens, die BlackF Serviced Apartments,The 1487 Apartments sowie weitere Häuser.